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ESOF 2012: Tipps und Chips

Das Euroscience Open Forum (ESOF) 2012 —
Dublin macht sich für die Wissenschaft schön

Müde sieht er aus, der Mann mit dem grauen Bart. Die Ringe unter den Augen sind noch tiefer als sonst. Doch trotz des Jetlags hat Rolf-Dieter Heuer es sich nicht nehmen lassen, zwischen Australien und Genf in Dublin aufzutreten. Hier trafen sich vom 11. bis 15 Juli 2012 an die 5000 Teilnehmer aus Wissenschaft, Medien, Politik und Wirtschaft, um zu diskutieren, voneinander zu lernen und — nicht zuletzt — um Guinness zu trinken.

CERN-Chef Heuer auf dem ESOF

Der Seminarraum im Medienzentrum des Convention Centers Dublin ist randvoll, als der Generaldirektor des Europäischen Kernforschungszentrums CERN zum Pressebriefing bittet. Blitzlichtgewitter wie bei einem Hollywoodstar. Geduldig wartet der 64-Jährige, bis sich die Aufregung gelegt hat. Dann spricht er über das, was schon alle wissen. Das Higgs-Teilchen ist gefunden worden, wenn auch nur für Laien. Für Wissenschaftler ist es noch nicht sicher. Die Wahrscheinlichkeit, dass es das Teilchen doch nicht gibt, liegt bei eins zu 1,6 Millionen. „Warum haben Sie es dann am 4. Juli überhaupt schon verkündet, Herr Heuer“, wird er gefragt.

„Es gab Gerüchte, es sickerten Informationen nach draußen und es gab die Konferenz über Teilchenphysik in Melbourne, da wollten wir die Messergebnisse präsentieren“, sagt der gebürtige Schwabe. Zwei Tage später wird er im Auditorium einen interessanten Vortrag über das Universum und den Mikrokosmos halten, in dem immer wieder sein Humor aufblitzt und seine Gabe, komplexe Sachverhalte verständlich zu erklären. Danach bekomme ich ein Interview, bei dem er ein Sandwich verspeist und mir die Chips abgibt, weil er sie nicht mag. Einen anderen Star hätte ich fast verpasst. Nur mit Glück bekomme ich einen Platz in der „Exam Hall“ des Trinity College.

Dublin hat sich anlässlich des ESOF als „City of Science“ herausgeputzt. In Erinnerung an Erwin Schrödingers legendäre Vorlesung zum Thema „What is life“, die er im Februar 1943 am Dublin Institute for Advanced Studies im Trinity College gehalten hat, gibt sich Craig Venter die Ehre. Der Mann aus Kalifornien gilt als Pionier der Genforschung und macht gerne Marketing für sich und seine Firma. Er liebt die Show und sagt, er habe künstliches Leben erschaffen, als es ihm mit seinen Mitstreitern vor zwei Jahren gelungen sei, mit einem künstlichen Genom ein lebensfähiges Bakterium herzustellen.
In Dublin wirkt der 65-Jährige sehr seriös, referiert artig die Wegstrecke der Erforschung des Genoms, seit vor fast 70 Jahren der österreichische Physiker und spätere Nobelpreisträger Schrödinger die Frage stellte, wie die genetische Information in der Zelle gespeichert sein könnte. Zehn Jahre später fand der amerikanische Biochemiker James Watson, von Schrödingers Gedanken beeinflusst, gemeinsam mit dem Briten Francis Crick die Antwort. Der Stoff, aus dem die Gene sind, besteht aus DNA, die zu einer Doppelhelix geformt ist. „Leben ist ein DNA-Software-System“, sagt Venter in Dublin. „Wenn man die Software ändert, bekommt man eine andere Art.“ Die Proteine sieht er als Hardware des Lebens, quasi als natürliche Roboter. Mit Preisen überhäuft wurde Venter schon, auf die höchste wissenschaftliche Auszeichnung wartet er immer noch. Watson und Crick haben sie schon, sie bekamen 1962 den Medizin-Nobelpreis.

In Dublin sitzt der 84-jährige Watson neben dem irischen Ministerpräsidenten. Er spricht nach Craigs Vortrag mit leiser Stimme ein paar Worte. Das ESOF ist aber mehr als ein Schaulaufen von Wissenschaftsgrößen, auch wenn mehrere Nobelpreisträger da sind. Auch Irlands Wissenschaftsminister und sein Kollege, der für Arbeit und Innovation zuständig ist, präsentieren ihr Konzept, um den Staat aus der Krise zu führen. Gemeinsam mit Mark Ferguson, dem Chef der SFI (Science Foundation Ireland), betonen sie die Bedeutung von Bildung, Wissenschaft und Technik. Da mag niemand widersprechen, auch wenn der Erfolg noch ungewiss ist.

Das Herzstück des Treffens sind die Symposien zu Themen aus den verschiedensten Bereichen, die den interdisziplinären Charakter der Veranstaltung betonen. Hier trifft man auf Schritt und Tritt auf die Experten mit großem und noch nicht so bekanntem Namen, hier kann man herumschnuppern und sich anregen lassen. Sicherlich ist es keine Veranstaltung, auf der spektakuläre Neuigkeiten präsentiert werden. Insofern fehlt der aktuellen Berichterstattung der Reiz des Sensationellen, mit dem Journalisten gerne glänzen. Doch finden sich viele Hintergrundinformationen, hier lässt sich für den Journalisten eine Menge Honig saugen. Vielleicht am wichtigsten sind der Kontakt und der Austausch mit Kollegen. Zuerst zu nennen ist die Gruppe der rund 20 EUSJA-Teilnehmer. Wir profitierten sehr von der perfekten Betreuung durch Anna Nolan und Cormac Sheridan von der gastgebenden Irish Science & Technology Journalists' Association (ISTJA). Ich traf zudem Kollegen aus mehreren Redaktionen, die mit Reisestipendien der Robert-Bosch-Stiftung gekommen waren. Unverhofft war die Begegnung mit einigen internationalen Journalisten, die ich im letzten Jahr bei DAAD-Pressefahrten kennen gelernt hatte. Schon beim Frühstück im Hotel traf ich Martin Uhlir aus Prag, im Kongresszentrum hörte ich Albert Yuan aus Peking über die nicht ganz einfache Berichterstattung in China sprechen, und beim Medien-Abend im Guiness-Storehouse trafen wir uns wieder. Auch TELI-Kollegen aus dem Vorstand liefen mir über den Weg, Alexander Gerber und Hajo Neubert, sowie EUSJA-Honorary Secretary Wolfgang Goede. Letztere engagierten sich im TELI-Workshop „What will power Europe´s Future“. Zudem referierte Goede in einer Session, in der es um die Situation des Wissenschaftsjournalismus ging.

Text und Fotos: Paul Janositz

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ESOF2012 in Dublin

Dublin hat sich anlässlich des ESOF als „City of Science“ herausgeputzt
(siehe Bericht links).

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